Die Talentschmiede

Der Fachkräftemangel trifft vor allem die Unternehmen abseits der Sogwirkung der großen Metropolen. Auch die BID Unternehmensgruppe im oberfränkischen Coburg muss sich dieser Herausforderung stellen. Hier entwickelt man die dringend benötigte Fachkompetenz einfach selbst, statt angestrengt danach zu suchen.

Was es heißt, selbst die Verantwortung für die Ausbildung seiner künftigen Fachleute zu übernehmen, lässt sich bei der BID Unternehmensgruppe vormittags im Schulungsraum beobachten. An den mit Laptops ausgestatteten Arbeitsplätzen finden sich die Auszubildenden des ersten Lehrjahres mindestens drei Monate lang zum täglichen Intensivschulungsprogramm ein.

Wenn die Fachkräfte knapp sind, macht es Sinn, diese nicht nur zu suchen, sondern auch selbst zu entwickeln. Die Ausbildungsquote der BID Unternehmensgruppe liegt traditionell sehr hoch. In jedem Jahr starten dort mindestens 15 Schulabgänger in das Berufsleben. Damit gibt sich das Unternehmen aber nicht zufrieden. „Wir wollen mehr", sagt Marina Dienemann, die die Schulungsprogramme verantwortet.

Dieses „mehr" beschreibt die Sachbearbeiterin und Leiterin der praktischen Ausbildung als eine Art Ausbildung in der Ausbildung, die den üblichen Zweiklang von Berufsschule und praktischer Arbeit in einen Dreiklang aufwertet: „Die Azubis sollen durch die zusätzliche interne Schulung ein grundlegendes gemeinsames Verständnis von allen Aspekten unserer Arbeit erhalten."
Diesem Anspruch folgend werden beispielsweise im Intensivschulungsprogramm für die Berufsanfänger Themen aus sämtlichen Abteilungen des Hauses behandelt. Erst nach dieser Einführung wechseln die Auszubildenden dann in die jeweiligen Fachbereiche, etwa in die Sachbearbeitung, den Vertrieb, die Buchhaltung oder die IT. Auch hier finden über den gesamten Ausbildungszeitraum weitere begleitende interne Schulungsprogramme statt, die die praktische Arbeit und den Berufsschulunterricht ergänzen. Das Konzept wird auch bei Neueinstellungen angewendet.

Komplexe Anforderungen

„Die Arbeit in der Inkassobranche ist sehr komplex"

Dieses besondere Engagement für den Wissenstransfer im Haus ist nicht allein dem Fachkräftemangel geschuldet. „Die Arbeit in der Inkassobranche ist sehr komplex und es gibt dafür im hiesigen IHK-Bezirk keine spezifische Berufsausbildung", erklärt Marina Dienemann. Offiziell werden bei der BID Unternehmensgruppe vor allem Kaufleute für Büromanagement ausgebildet. Die Lehrpläne der Berufsschulen decken aber die breiten und anspruchsvollen Inhalte der Arbeit im Unternehmen kaum ab.

Den besonderen Weg, den die BID Unternehmensgruppe in der Ausbildung geht, stellt Marina Dienemann bereits in den Bewerbungsgesprächen vor. „Dieser Ansatz ist dann häufig einer der Gründe, warum sich die Schulabgänger für uns entscheiden", sagt Dienemann, die selbst seit mehr als zwanzig Jahren für das Unternehmen arbeitet. Man treffe mit dem internen Schulungsprogramm den Nerv der jungen Menschen, ist sie überzeugt. „Die Erwartungen an eine Ausbildung sind gestiegen. Ein Azubi möchte nicht mehr nur Kaffee kochen, sondern gefördert und gefordert werden."
Gleichzeitig profitiere aber auch das Unternehmen davon, wenn etwa „unsere Azubis im dritten Lehrjahr heute im praktischen wie theoretischen Wissen schon sehr viel weiter sind, als es in der Vergangenheit oft der Fall war", so Dienemann. Die jungen Mitarbeiter können auf diese Weise frühzeitig komplexe und Wert schaffende Arbeiten leisten.

Mitarbeiter fördern die künftigen Kollegen

Ein wichtiger Grund für den Erfolg des Programms ist, dass das Konzept von allen Mitarbeitern gelebt und getragen wird. Jedem Azubi steht vom ersten Tag an ein langjähriger Angestellter als Mentor zur Seite. Die internen Schulungen werden zudem von der Belegschaft eigenverantwortlich konzipiert, weiterentwickelt und auch durchgeführt. Die Auszubildenden werden dabei ausdrücklich miteinbezogen. So ist es beispielsweise Tradition, dass die Berufsschüler des dritten Lehrjahres das Schulungsprogramm des ersten Lehrjahres mitbestimmen. „Den zuständigen Kollegen lassen wir bei den Entscheidungen über die internen Lehrprogramme viel Freiheit. Oft werden die Inhalte sogar individuell an den Wissensstand der jeweiligen Auszubildenden angepasst", erläutert Dienemann. „Beispielsweise setzen wir bei sehr jungen Azubis andere Schwerpunkte als bei den älteren."

Die Neuankömmlinge steigen auf diese Weise nicht nur tief in die berufliche Materie und die unternehmensspezifischen Abläufe ein, sie erhalten auch Gelegenheit, innerhalb der Belegschaft frühzeitig Verbindungen zu knüpfen und sich schnell dazugehörig zu fühlen. „Idealerweise wechseln die Azubis nach der mindestens dreimonatigen übergreifenden Ausbildungsphase in Teams von maximal zwanzig Mitarbeitern, in denen sie die gesamte Ausbildung verbringen. Merken wir, dass es dabei menschlich einmal nicht so klappt, vermitteln wir in neue Teams".

Zur konsequenten Umsetzung der internen Fachkräfteentwicklung gehört auch, dass nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung jedem Auszubildenden eine entsprechende unbefristete Stelle in der BID Unternehmensgruppe angeboten wird. Die jährliche Übernahmequote von einhundert Prozent spiegelt den Erfolg des Ausbildungskonzeptes wider. Man schaue bei den Übernahmen nicht nur auf das Heute, fügt Dienemann noch an. „Wir denken vielmehr an den Bedarf in einigen Jahren. Vielleicht benötigen wir aktuell nicht unbedingt in jedem Jahr 15 neue Azubis, aber die Fachkräfte, die sie einmal werden, in Zukunft ganz bestimmt."

April 2019
„Wir denken vielmehr an den Bedarf in einigen Jahren."